"Porträts im Glauben„“ ist ein Abschnitt, der sich dem Leben und Vermächtnis von Personen widmet, die sich für den interreligiösen Dialog, Religionsfreiheit und den Weltfrieden einsetzen.
In einem bescheidenen Viertel von Handsworth, Birmingham, wo viktorianische Reihenhäuser Seite an Seite mit den geschäftigen Geschäften der Soho Road stehen, entfaltet sich täglich eine sanfte Revolution in Dienst und Spiritualität. Hier, unter den anmutigen Kuppeln des Guru Nanak Nishkam Sewak Jatha (GNNSJ) Gurdwara, bewegt sich Bhai Sahib Dr. Mohinder Singh Ahluwalia mit der Leichtigkeit eines erfahrenen Gastgebers und der Wärme eines Bruders unter seiner Gemeinde. Über ein Vierteljahrhundert lang hat er diese einst kleine Gemeinschaftsinitiative zu einem transnationalen Netzwerk humanitärer Hilfe und interreligiösen Dialogs geführt – ein lebendiges Zeugnis des Sikh-Ideals von Nishkam Sewaoder selbstloser Dienst.
Von Ostafrika nach England: Wurzeln eines Visionärs
Mohinder Singh Ahluwalia wurde am 31. März 1939 in Gulu, Uganda, in eine Familie geboren, die sich in den komplexen Lebensumständen des kolonialen Ostafrikas zurechtfinden musste. Seine prägenden Jahre waren geprägt von seiner Ausbildung – zunächst an örtlichen Schulen in Uganda, dann an der Universität Glasgow, wo er seinen Abschluss in Bauingenieurwesen machte. In den folgenden 27 Jahren wandte er seine Fähigkeiten auf drei Kontinenten an: Er entwarf Brücken und plante Städte in Ostafrika, dem Nahen Osten und Europa. Doch hinter den Bauplänen und auf den Baustellen verbarg sich eine tiefere Sehnsucht: technische Meisterleistung in mitfühlende Taten umzusetzen. Diese Dualität – Ingenieur von Beruf, Diener der Menschheit aus Berufung – sollte seinen Werdegang prägen, als er 1995 dem spirituellen Ruf folgte, die GNNSJ zu leiten.
Übernahme der Rolle des „Bhai Sahib“
In der Sikh-Tradition drückt der Ehrentitel „Bhai Sahib“ sowohl Respekt als auch Verantwortung aus. 1995 verlieh das Shiromani Gurudwara Parbandhak Committee (SGPC) von Amritsar Dr. Ahluwalia diesen Titel und machte ihn damit zum ersten britischen Sikh, dem dieser verliehen wurde – eine Anerkennung für seinen selbstlosen Einsatz bei der Verbreitung des Glaubens und der Bewahrung seines Erbes. Unter seiner Führung überschritt GNNSJ die Grenzen eines einzelnen Gurdwaras. Durch die Formalisierung seiner Aktivitäten und die Verankerung von Transparenzprinzipien verwandelte er den karitativen Zweig in die Nishkam Group of Organisations: ein Zusammenschluss von Initiativen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Gemeindeerneuerung und Denkmalschutz. Von Stadterneuerungsprojekten in Handsworth bis hin zu Trinkwasserversorgungsprojekten im ländlichen Kenia verband das Nishkam-Modell technisches Geschick mit spirituellem Mitgefühl.
Der Gurdwara als Katalysator für die Gemeinschaft
An jedem beliebigen Tag GNNSJ Gurdwara auf der Soho Road Es herrscht reges Treiben. Im Morgengrauen fegen Freiwillige die Marmorböden; am Vormittag köcheln unzählige Töpfe mit Dhal und Reis in riesigen Kesseln. Jede Woche werden rund 25,000 kostenlose vegetarische Mahlzeiten serviert –Langar– werden Menschen aller Herkunft angeboten: lokalen Ladenbesitzern, Obdachlosen, Studenten und Besuchern aus dem Ausland. Neben der Verpflegung bietet der Gurdwara auch Berufsausbildung, Rechtsberatung und Jugendbetreuung an. Er bietet sogar Achtsamkeits- und Meditationssitzungen für Nicht-Sikhs an – ganz im Sinne von Ahluwalias Überzeugung, dass spirituelle Orte Tore zur sozialen Verbesserung sein sollten. Hier verschwimmt die Grenze zwischen heilig und weltlich und wird durch die Überzeugung ersetzt, dass Glaube am besten durch Taten zum Ausdruck kommt.
Architekt der Interfaith Fellowship
Während viele religiöse Führer praktizieren interreligiöser Dialog Ahluwalia hat es neben ihren Hauptaufgaben in das Gewebe seiner Mission eingewoben. Als Gründungsmitglied des Europäischen Rates der Religionsführer und Co-Präsident von Religions for Peace International sitzt er an Tischen, an denen hinduistische, muslimische, christliche, jüdische, buddhistische und indigene Traditionen zusammenkommen. 2012 wurde er als erster Sikh überhaupt mit dem Päpstlichen Ritterorden des Heiligen Gregor des Großen geehrt – ein beispielloses Abkommen zwischen dem Vatikan und der Sikh-Gemeinde – ein Beweis für seine Fähigkeit, jahrhundertealte Gräben zu überbrücken. Bei jeder Versammlung, ob in Kyoto, Amman oder New York, fordert er die Teilnehmer auf, über bloße Rhetorik hinauszugehen. „Echter Dialog“, betont er, „entsteht nicht in geschliffenen Reden, sondern bei gemeinsamen Mahlzeiten, gemeinsamen Hilfsprojekten und der mutigen Bereitschaft, die eigene Verletzlichkeit einzugestehen.“
Die Ausarbeitung der Charta für Vergebung und Versöhnung
Im August 2019 verabschiedeten die Delegierten der 10. Weltversammlung von Religions for Peace in Lindau einstimmig ein Dokument, dessen Ursprünge auf Ahluwalias Feder zurückgehen: die Charta für Vergebung und Versöhnung. Angesichts der Tatsache, dass zeitgenössische Konflikte oft im Schatten ungelöster Missstände schwelen, ruft die Charta Glaubensgemeinschaften dazu auf, Vergebung als öffentliche Tugend zu leben. Sie ermahnt Führungspersönlichkeiten, Rituale der Versöhnung – das Eingestehen von Unrecht, die Bitte um Vergebung und gegenseitige Hilfsbereitschaft – sowohl in Gotteshäusern als auch im öffentlichen Raum zu integrieren. Dieses Konzept, das sich noch in der Pilotphase in mehreren Diözesen und Gurdwaras befindet, wird von Friedensforschern als bahnbrechende Verbindung aus theologischen Erkenntnissen und Sozialpsychologie gelobt.
Erziehung zu Charakter und Exzellenz
Ahluwalias Bildungsvision geht weit über standardisierte Testergebnisse hinaus. Unter seiner Schirmherrschaft betreibt der Nishkam School Trust religiös geprägte, wertebasierte Schulen in Birmingham, Wolverhampton, Leeds und im Ausland. Jede Einrichtung – vom Kindergarten bis zur Oberstufe – bietet einen Lehrplan, der von den ethischen Prinzipien der Sikhs geprägt ist: Mitgefühl, Ehrlichkeit, Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft. Dennoch sind sie stolz darauf, multireligiös zu sein und Schüler aller Herkunft willkommen zu heißen. Im Unterricht finden täglich Momente der Besinnung statt Missionierung statt, und bei Versammlungen werden oft Gedichte, Tänze oder Musik aus verschiedenen Traditionen präsentiert. Das Ziel ist zweifach: die Ausbildung akademisch erfolgreicher Absolventen und, noch wichtiger, die Erziehung „guter Menschen“, wie Ahluwalia es nennt – Bürger, die in der Lage sind, ethische Dilemmata mit Empathie und Integrität zu meistern. Erste Inspektionsberichte berichten von beeindruckenden Prüfungsergebnissen und niedrigen Ausschlussquoten, was den ganzheitlichen Erfolg der Schulen unterstreicht.
Auszeichnungen, die Bände sprechen
Im Laufe seines Lebens hat Ahluwalia Auszeichnungen angehäuft, die die Bandbreite seines Wirkens widerspiegeln. Bei den Neujahrs-Ehrungen 2015 wurde er für seine Verdienste um die interreligiöse Zusammenarbeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Officer of the Order of the British Empire (OBE) ernannt – die Krönung jahrzehntelanger dialogischer Öffentlichkeitsarbeit und Stadterneuerung. Fünf Jahre zuvor hatte ihm die Hofstra University ihren Guru Nanak Interfaith Prize verliehen, und 2010 verlieh ihm der Temple of Understanding den Juliet Hollister Award, womit er sich in illustre Gesellschaft von Größen wie dem Dalai Lama und Nelson Mandela befindet. Drei britische Universitäten – Central England (2001), Birmingham City (2006) und Aston (2014) – verliehen ihm Ehrendoktorwürden in Anerkennung seiner Verdienste um Bildung, Glaubensverbreitung und öffentliches Engagement. Doch fragt man ihn, welche Auszeichnung ihm am wichtigsten ist, nennt er ausnahmslos den Titel „Bhai Sahib“, da dieser das Vertrauen zum Ausdruck bringt, das seine eigene Gemeinschaft in ihn setzt.
Der stille Ingenieur
Trotz weltweiter Anerkennung bewahrt sich Ahluwalia die Haltung eines Ingenieurs: akribisch, pragmatisch und lösungsorientiert. Kollegen erinnern sich an Meetings, in denen er Flussdiagramme auf Flipcharts skizzierte, die Rollen der Mitarbeiter in Gemeinschaftsprojekten abbildete oder die Phasen des Schulausbaus skizzierte. Er leitete die Sanierung der Innenstadt von Handsworth und investierte über vier Jahrzehnte hinweg rund 60 Millionen Pfund in städtische Verbesserungen. Dabei achtete er stets darauf, dass die Anwohner – insbesondere Frauen und Jugendliche – aktiv beteiligt und nicht nur passiv profitieren. Selbst das Museum der Weltreligionen, ein kühner Plan zur Unterbringung von Artefakten und interaktiven Ausstellungen zu Religionen weltweit, wird mit der gleichen modularen Präzision realisiert, die er einst auf Betonträger anwandte. Hier trifft das Auge des Bauingenieurs auf das Herz des spirituellen Führers – beide stärken sich gegenseitig im Dienste des Gemeinwohls.
Gespräche in den Gurdwara-Hallen
Wer an einem Wochentagabend durch den Gebetsraum der GNNSJ geht, trifft Dr. Ahluwalia oft inmitten von Besuchern unterschiedlicher Glaubensrichtungen: einer muslimischen Sozialarbeiterin, einer katholischen Nonne und einem hinduistischen Akademiker. Das Gespräch schweift von der Schriftauslegung zu aktuellen Krisen: Klimawandel, soziale Zersplitterung, Jugendarbeitslosigkeit. Er hört aufmerksam zu und äußert dann Überlegungen, die auf der Sikh-Schrift, dem Guru Granth Sahib, basieren, und betont die Notwendigkeit Sangat (Gemeinschaft) und Schwanz (Gleichheit). Was diese Treffen auszeichnet, ist ihre Ungezwungenheit: kein Podium, keine geplante Predigt – nur Menschen, die ihre Sorgen und Wünsche teilen. „In diesen Kreisen“, bemerkte er einmal, „entdecken wir, dass die Sprache des Herzens die Grenzen des religiösen Jargons überschreitet.“
Brücken bauen, Stein für Stein
In den Kibera-Slums in Nairobi, wo es immer wieder zu Spannungen zwischen ethnischen Gruppen und Glaubensrichtungen kommt, finanziert die GNNSJ Initiativen für sauberes Wasser und Mentorenprogramme für Jugendliche. In Neu-Delhi unterstützt sie Berufsbildungszentren für unterprivilegierte Frauen. In Birmingham arbeitet sie mit der Gemeinde zusammen, um finanziell benachteiligten Bewohnern Budgetierungsworkshops und Schuldnerberatung anzubieten. Jedes Projekt beginnt mit Informationsreisen – Ahluwalia legt Wert auf direkten Kontakt mit den Betroffenen –, bevor konkrete Lösungen erarbeitet werden. Dieser Bottom-up-Ansatz spiegelt seine Überzeugung wider, dass Wohltätigkeit ohne Empowerment die Gefahr birgt, Abhängigkeit zu verewigen. Im Gegensatz dazu zielen Nishkams Interventionen auf die Schaffung nachhaltiger Unternehmen ab: Gemeindekooperativen, Sozialwohnungsfonds und ländliche Mikrofinanzierungsprogramme. Im Laufe der Zeit haben diese schrittweisen Bemühungen ein Netzwerk des Vertrauens aufgebaut, das religiöse und ethnische Gräben überbrückt.
Herausforderungen und anhaltende Bestrebungen
Kein Dienstweg ist frei von Herausforderungen. Finanzierungsschwankungen, regulatorische Hürden und gelegentliche kulturelle Missverständnisse haben die Widerstandsfähigkeit von GNNSJ auf die Probe gestellt. Insbesondere die COVID-19-Pandemie belastete die Lieferketten und die Freiwilligenbasis, was Ahluwalia dazu veranlasste, innovative Protokolle für die Lebensmittellieferung und virtuelle interreligiöse Foren zu entwickeln. Diese Widrigkeiten eröffneten jedoch auch neue Wege der sozialen Arbeit: Online-Meditationskurse, digitaler Schulunterricht und telefonische Unterstützungsleitungen für isolierte ältere Menschen. Auch mit fast neun Jahrzehnten bleiben Dr. Ahluwalias Ambitionen ungebrochen. Die Friedenscharta wartet auf weitere Pilotprojekte; das Museumsprojekt sucht einen dauerhaften Standort; und die Schulen streben eine Ausweitung nach Schottland und Kontinentaleuropa an. Sein Tagesablauf, eine komplexe Mischung aus Gebeten, Verwaltungssitzungen und Ortsbesichtigungen, deutet auf einen Mann hin, der von einer inneren Quelle der Zielstrebigkeit getragen wird.
Vermächtnis der Liebe und des Dienstes
Was ist also das bleibende Vermächtnis von Bhai Sahib Dr. Mohinder Singh Ahluwalia? Für viele ist es das einfache gemeinsame Brotbrechen – eine Erinnerung daran, dass gemeinsame Mahlzeiten ebenso friedensfördernd wirken können wie jedes Strategiepapier. Für andere ist es das Netzwerk der Nishkam-Institutionen, jede ein Schmelztiegel, in dem Glaube und soziales Handeln zusammenfließen. Doch der vielleicht größte Maßstab sind die veränderten Leben: ein Jugendlicher, der im Gurdwara-Studiersaal Mentoring fand, eine Familie, deren Würde durch eine Berufsausbildung wiederhergestellt wurde, oder ein älteres Paar, das sich nach Jahrzehnten der Entfremdung unter dem Schutz der Vergebungscharta wieder versöhnte. Mit all diesen Gesten, ob groß oder klein, hat Ahluwalia gezeigt, dass die höchste Berufung der Religion nicht darin besteht, Denkmäler aus Stein zu errichten, sondern Brücken des Mitgefühls zu bauen – eine selbstlose Tat nach der anderen.