Eine auf dem Kongress der Europäischen Psychiatrischen Vereinigung 2025 vorgestellte Studie zeigt tiefe sozioökonomische Ungleichheiten beim gemeldeten Bedarf an psychiatrischer Versorgung in der Europäischen Union auf. Die Studie verdeutlicht, wie finanzielle Hürden Menschen mit niedrigem Einkommen überproportional treffen. Erhebliche Unterschiede hängen auch mit dem Bildungsniveau, dem Wohnort in der Stadt oder auf dem Land und dem geografischen Standort zusammen.
Unter der Leitung von Dr. João Vasco Santos, einem Arzt für öffentliche Gesundheit, Gesundheitsökonomen und Professor an der Universität Porto, wurden für die Querschnittsanalyse Daten aus dem Jahr 2019 verwendet. Europäische Gesundheitsbefragung (EHIS) in 26 EU-Mitgliedsstaaten. In der Umfrage wurden die Teilnehmer unter anderem gefragt, ob sie in den letzten zwölf Monaten aus finanziellen Gründen auf die erforderliche psychiatrische Versorgung verzichtet hatten.
Messung unerfüllter Bedürfnisse: Eine finanzielle Perspektive
Das EHIS erfasst selbstberichtete Erfahrungen und konzentriert sich dabei insbesondere auf finanzielle Gründe als Hindernis, auch beim Zugang zu psychiatrischen Diensten.
Innerhalb der EU variierte der Anteil der selbstberichteten ungedeckten Bedürfnisse im Bereich der psychischen Gesundheitsversorgung erheblich – von nur 1.1 % in Rumänien bis zu 27.8 % in Portugal, mit einem Medianwert von 3.6 %.
Dr. Santos betonte, dass viele europäische Länder zwar auf gemischte Gesundheitssysteme umgestiegen seien – eine Mischung aus Beveridge- und Bismarck-Modellen –, die finanzielle Absicherung jedoch nach wie vor inkonsistent sei. Selbst in Ländern mit allgemeiner Krankenversicherung können Eigenbeteiligungen für Medikamente, Therapien, diagnostische Tests oder medizinische Geräte erhebliche Hürden darstellen.
„Es geht nicht nur darum, ob die Gesundheitsversorgung öffentlich oder privat ist“, erklärte Dr. Santos. „Selbst in weitgehend öffentlichen Systemen können Zuzahlungen eine Belastung darstellen. Und manchmal werden schutzbedürftige Gruppen – wie Migranten oder Asylsuchende – gänzlich ausgeschlossen.“
Kulturelle Wahrnehmungen prägen die Berichterstattung
Eines der auffälligsten Ergebnisse war der starke Kontrast zwischen Rumänien und Portugal. Dr. Santos warnte davor, diese Zahlen für bare Münze zu nehmen.
„Es geht nicht nur um die Verfügbarkeit von Dienstleistungen – es geht auch um Bewusstsein und kulturelle Wahrnehmung“, sagte er. Er bemerkte, dass wir in Portugal „immer offener mit psychischer Gesundheit und den psychiatrischen Diensten umgehen“.
Portugal ist eines der Länder, die die neue Wahrnehmung von psychische Gesundheitsfürsorge„Die UNO Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen „legte den Grundstein für den dringend notwendigen Paradigmenwechsel in der psychischen Gesundheit. Von einem ausschließlich medizinischen Ansatz hin zu einem Ansatz, der auf der Achtung der Menschenrechte von Menschen mit psychischen Erkrankungen und psychosozialen Behinderungen basiert“, sagte Marta Temido, portugiesische Gesundheitsministerin, während einer Konsultationssitzung der Vereinten Nationen im Jahr 2021.
Frau Marta Temido betonte: „In Portugal haben wir erhebliche Anstrengungen unternommen, um unsere Gesetze, Richtlinien und Praktiken mit den Menschenrechten in Einklang zu bringen.“
Sie betonte insbesondere: „Wir haben uns klar für gemeindenahe psychiatrische Dienste anstelle einer Institutionalisierung entschieden. Wir haben den Zugang zu aufsuchender Betreuung durch die Einrichtung von Gemeindeteams für Erwachsene sowie für Kinder und Jugendliche verbessert.“
In Ländern wie Rumänien ist die Stigmatisierung nach wie vor hoch und wird durch eine lange Geschichte der institutionalisierte Pflege das grundlegenden menschlichen Standards nicht gerecht wird. Es sollte offensichtlich sein, dass man es sich zweimal überlegen sollte, bevor man Hilfebedarf meldet, wenn sich das psychiatrische System nicht viel weiter entwickelt hat als nur große psychiatrische Einrichtungen mit gemeldeten Menschenrechtsverletzungen.
Dr. Santos stellte fest, dass in Ländern, in denen psychische Erkrankungen stigmatisiert oder missverstanden werden, Betroffene Symptome möglicherweise gar nicht erst melden. In manchen Fällen sehen Betroffene keinen Behandlungsbedarf, weil sie nicht ausreichend über psychische Gesundheit aufgeklärt werden oder Angst vor Diskriminierung haben.
Bildung und Ungleichheit
Die Studie zeigte zudem einen starken Zusammenhang zwischen Bildungsstand und unerfüllten Bedürfnissen. In 15 der 26 untersuchten Länder gaben Personen mit lediglich einer Grundschulbildung deutlich häufiger an, keine psychiatrische Versorgung zu erhalten, als Personen mit Hochschulbildung.
„In Bulgarien, Griechenland, Rumänien und der Slowakei ist diese Ungleichheit besonders ausgeprägt“, stellte Dr. Santos fest. Das Bild in den europäischen Ländern ist jedoch recht komplex, wie beispielsweise in Frankreich, wo das Gegenteil der Fall ist. In Frankreich wiesen Menschen mit Hochschulabschluss einen höheren ungedeckten Bedarf an psychiatrischer Versorgung auf. Dies deutet darauf hin, dass weitere Studien erforderlich sein könnten, die sich mit der Berücksichtigung von Einkommen und anderen Faktoren befassen könnten. Die durchgeführte Studie berücksichtigte ausschließlich die bildungsbezogenen Ungleichheiten.
Auswirkungen der Pandemie und zukünftige Trends
Obwohl die Studie auf Daten aus der Zeit vor der Pandemie (aus dem Jahr 2019) basierte, warnte Dr. Santos, dass die Pandemie die bestehenden Ungleichheiten wahrscheinlich noch verschärft habe.
„Wir wissen, dass sich die psychische Gesundheit während der Pandemie verschlechtert hat – es gab mehr Gewalt, Isolation und Traumata“, sagte er. „Gleichzeitig war der Zugang zur Gesundheitsversorgung eingeschränkt. Ich vermute, die nächste Datenwelle wird einen Anstieg des ungedeckten Bedarfs zeigen, insbesondere bei einkommensschwachen und marginalisierten Gruppen.“
Er betonte jedoch, dass Längsschnittvergleiche mit Vorsicht durchgeführt werden müssten, und wies darauf hin, dass sich Änderungen im Umfragedesign im Laufe der Zeit auf die Ergebnisse auswirken könnten.

„Das Ziel muss sein, niemanden zurückzulassen“, Dr. João Vasco Santos
Politische Empfehlungen zur Bekämpfung sozioökonomischer Ungleichheiten
Um diese systemischen Herausforderungen anzugehen, skizzierte Dr. Santos eine Reihe von Prioritäten, die koordinierte Maßnahmen auf nationaler und regionaler Ebene erfordern.
Erstens betonte er, wie wichtig es sei, die allgemeine Krankenversicherung auszubauen, um sicherzustellen, dass alle Menschen – einschließlich Migranten und Asylsuchende – Zugang zu grundlegenden psychiatrischen Leistungen haben, ohne in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Er forderte Reformen, die einkommensschwache und chronisch Kranke von Zuzahlungen befreien, selbst in Systemen, in denen die Versorgung ansonsten öffentlich finanziert wird.
Zweitens plädierte er für eine Verlagerung hin zu gemeindebasierten Pflegemodellen, die die Zugänglichkeit verbessern, Stigmatisierung reduzieren und integrierte, personenzentrierte Behandlungsansätze fördern.
Drittens unterstrich Dr. Santos die Notwendigkeit nationaler und regionaler Strategien für die psychische Gesundheit, die öffentliche Aufklärungskampagnen zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz umfassen.
„Das Ziel muss sein, niemanden zurückzulassen“, schloss er. „Gesundheit ist eine Investition – nicht nur in den Einzelnen, sondern in die Widerstandsfähigkeit und Gerechtigkeit der gesamten Gesellschaft.“