Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA hat mit der Überprüfung von Natriumoxybat enthaltenden Arzneimitteln begonnen, die bei alkoholabhängigen Personen zur Behandlung des Alkoholentzugssyndroms und zur Unterstützung einer langfristigen Abstinenz eingesetzt werden.
Anlass der Überprüfung war die Beurteilung eines Zulassungsantrags in Frankreich für ein Generikum mit Natriumoxybat. Während der Beurteilung äußerte die französische Arzneimittelbehörde auf Grundlage von Daten aus drei Studien Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit von Natriumoxybat bei Alkoholabhängigkeit.1, 2, 3 Darüber hinaus gab es Bedenken hinsichtlich des Missbrauchs- oder Fehlgebrauchsrisikos aufgrund der psychoaktiven Eigenschaften (Wirkungen auf das Gehirn) des Arzneimittels und der Frage, ob die derzeitigen Maßnahmen zur Minimierung dieser Risiken ausreichend sind.
Auf Grundlage dieser Daten wird die EMA nun das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Natriumoxybat zur Behandlung des Alkoholentzugssyndroms und zur Unterstützung einer langfristigen Alkoholabstinenz bewerten und Maßnahmen zur Minderung des Missbrauchsrisikos prüfen. Anschließend wird die Agentur entscheiden, ob regulatorische Maßnahmen ergriffen werden sollten.
Mehr über die Medizin
Arzneimittel, die Natriumoxybat (175 mg/ml) enthalten, werden bei Erwachsenen mit Alkoholabhängigkeit allein oder als Zusatzmedikament zur Behandlung des Alkoholentzugssyndroms und zur Unterstützung einer langfristigen Abstinenz unter ärztlicher Aufsicht zusammen mit Psychotherapie (Beratung) und sozialer Rehabilitation angewendet.
Natriumoxybat bindet an Rezeptoren (Zielmoleküle) der Nervenzellen des Gehirns und Rückenmarks für die Substanz Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und beruhigt so die Aktivität dieser Zellen. Da es auf die gleiche Weise wie Alkohol an diese Rezeptoren bindet, wird Natriumoxybat zur Behandlung der Symptome des Alkoholentzugs bei alkoholabhängigen Patienten eingesetzt, darunter Unruhe, Zittern und Schlafstörungen, sowie zur Unterstützung der Abstinenz.
Natriumoxybat 175 mg/ml ist in Österreich und Italien unter dem Namen Alcover zur Anwendung bei alkoholabhängigen Patienten zugelassen. In Österreich ist es als Sirup zur Behandlung des Alkoholentzugssyndroms und zur Unterstützung einer langfristigen Abstinenz unter ärztlicher Aufsicht in Kombination mit Psychotherapie (Beratung) und sozialer Rehabilitation erhältlich. In Italien ist es als orale Lösung zur adjuvanten (zusätzlichen) Anwendung bei akutem Alkoholentzugssyndrom erhältlich.
Natriumoxybat-Lösung zum Einnehmen (500 mg/ml) wird ebenfalls zur Behandlung von Narkolepsie eingesetzt. Diese Arzneimittel sind in der Übersichtsarbeit nicht berücksichtigt.
Mehr zum Verfahren
Die Überprüfung von Natriumoxybat-haltigen Arzneimitteln zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit wurde auf Ersuchen der französischen Arzneimittelbehörde eingeleitet unter Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG.
Die Prüfung wird vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) durchgeführt, der für Fragen zu Humanarzneimitteln zuständig ist und die Stellungnahme der Agentur annehmen wird. Die Stellungnahme des CHMP wird anschließend an die Europäische Kommission weitergeleitet, die eine endgültige, rechtsverbindliche Entscheidung mit Geltung in allen EU-Mitgliedstaaten erlässt.
- 1 Nimmerrichter AA, Walter H, Gutierrez-Lobos KE, Lesch OM. Doppelblinde kontrollierte Studie mit Gamma-Hydroxybutyrat und Clomethiazol zur Behandlung von Alkoholentzug. Alcohol Alcohol. 2002 Jan-Feb;37(1):67-73.
- 2 Caputo F, Skala K, Mirijello A, Ferrulli A, Walter H, Lesch O, Addolorato G. Natriumoxybat in der Behandlung des Alkoholentzugssyndroms: eine randomisierte, doppelblinde Vergleichsstudie mit Oxazepam. Die GATE 1-Studie. CNS Drugs. 2014 Aug;28(8):743-52.
- 3 Guiraud J, Addolorato G, Antonelli M, et al. Natriumoxybat zur Aufrechterhaltung der Abstinenz bei alkoholabhängigen Patienten: Eine internationale, multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie. J Psychopharmacol. 2022 Okt;36(10):1136-1145.