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Freitag, März 17, 2023

Ein „Missing Link“ – Forscher bringen Licht in die Entstehung komplexer Lebensformen

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Kryo-Elektronentomographie lieferte einen Einblick in die Zellstruktur eines neu gezüchteten Asgard-Archaeons, das hier abgebildet ist. Bemerkenswert sind die ausgedehnten Aktin-Zytoskelett-Filamente (orange) in den Zellkörpern und Zellvorsprüngen sowie die einzigartige Zellhülle (blau). Bildnachweis: © Margot Riggi, The Animation Lab, University of Utah


Forscher der Universität Wien und der ETH Zürich züchten „Missing Link“-Mikroorganismus.

Was führte zur Entstehung komplexer Organismen auf der Erde? Es ist eine bedeutende unbeantwortete Frage in der Biologie. Forscher aus dem Team um Christa Schleper am Universität Wien und das Team von Martin Pilhofer bei ETH Zürich haben einen Schritt zur Lösung unternommen. Den Wissenschaftlern gelang es, ein spezielles Archaeon zu kultivieren und mit mikroskopischen Methoden genauer zu charakterisieren.

Dieses Mitglied der Asgard-Archaeen weist einzigartige zelluläre Eigenschaften auf und könnte ein evolutionäres „fehlendes Bindeglied“ zu komplexeren Lebensformen wie Tieren und Pflanzen darstellen. Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift veröffentlicht Natur.


Alle Lebensformen auf der Erde werden in drei Hauptbereiche unterteilt: Eukaryoten, Bakterien und Archaeen. Eukaryoten umfassen die Gruppen der Tiere, Pflanzen und Pilze. Ihre Zellen sind meist viel größer und auf den ersten Blick komplexer als die Zellen von Bakterien und Archaeen. Das Erbgut von Eukaryoten zum Beispiel ist in einem Zellkern verpackt und die Zellen haben noch eine Vielzahl weiterer Kompartimente. Zellform und Transport innerhalb der eukaryotischen Zelle basieren ebenfalls auf einem ausgedehnten Zytoskelett. Doch wie kam es zum evolutionären Sprung zu solch komplexen eukaryotischen Zellen?

Eine der derzeit populärsten Evolutionstheorien geht davon aus, dass Eukaryoten (einschließlich Tiere, Pflanzen und Pilze) aus der Fusion eines Asgard-Archaeons mit einem Bakterium entstanden sind. Bildnachweis: © Florian Wollweber, ETH Zürich

Die meisten aktuellen Modelle gehen davon aus, dass Archaeen und Bakterien eine zentrale Rolle in der Evolution der Eukaryoten spielten. Es wird angenommen, dass sich eine eukaryotische Urzelle vor etwa zwei Milliarden Jahren aus einer engen Symbiose zwischen Archaeen und Bakterien entwickelt hat. 2015 entdeckten genomische Untersuchungen von Tiefsee-Umweltproben die Gruppe der sogenannten Asgard-Archaeen, die im Baum des Lebens die nächsten Verwandten der Eukaryoten darstellen. Die ersten Bilder von Asgard-Zellen wurden 2020 aus Anreicherungskulturen einer japanischen Gruppe veröffentlicht.

Asgard-Archaeen, kultiviert aus marinen Sedimenten

Der Arbeitsgruppe von Christa Schleper an der Universität Wien ist es nun erstmals gelungen, einen Vertreter dieser Gruppe in höheren Konzentrationen zu züchten. Es stammt aus marinen Sedimenten an der Küste von Piran, Slowenien, ist aber auch ein Wiener Bewohner, beispielsweise in den Ufersedimenten der Donau. Aufgrund seines Wachstums zu hohen Zelldichten lässt sich dieser Vertreter besonders gut studieren. „Es war sehr knifflig und aufwändig, diesen äußerst empfindlichen Organismus in einer stabilen Kultur im Labor zu erhalten“, berichtet Thiago Rodrigues-Oliveira, Postdoc in der Archaea-Arbeitsgruppe der Universität Wien und einer der Erstautoren der Studie.

Co-Erstautor Rafael Ponce beprobt Meeressedimente am Seca-Kanal in Piran, Slowenien. Bildnachweis: © Thiago Rodrigues-Oliveira, Univ. Wien

Asgard-Archaeen haben eine komplexe Zellform mit einem ausgedehnten Zytoskelett

Der bemerkenswerte Erfolg der Wiener Gruppe, einen hochangereicherten Asgard-Vertreter zu züchten, ermöglichte schließlich eine genauere mikroskopische Untersuchung der Zellen. Die ETH-Forschenden in der Gruppe von Martin Pilhofer nutzten ein modernes Kryo-Elektronenmikroskop, um schockgefrorene Zellen zu fotografieren. „Diese Methode ermöglicht einen dreidimensionalen Einblick in die inneren Zellstrukturen“, erklärt Pilhofer.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Lokiarchaeum ossiferum-Zelle, die die langen und komplexen Zellvorsprünge zeigt. Bildnachweis: © Thiago Rodrigues-Oliveira, Univ. Wien


„Die Zellen bestehen aus runden Zellkörpern mit dünnen, teilweise sehr langen Zellfortsätzen. Diese tentakelartigen Strukturen scheinen manchmal sogar verschiedene Zellkörper miteinander zu verbinden“, sagt Florian Wollweber, der die Zellen monatelang unter dem Mikroskop aufgespürt hat. Die Zellen enthalten auch ein umfangreiches Netzwerk von Aktinfilamenten, von denen angenommen wird, dass sie nur in eukaryotischen Zellen vorkommen. Dies deutet darauf hin, dass umfangreiche Zytoskelettstrukturen in Archaeen entstanden sind, bevor die ersten Eukaryoten auftauchten, und nährt Evolutionstheorien rund um dieses wichtige und spektakuläre Ereignis in der Geschichte des Lebens.

Zukünftige Erkenntnisse durch den neuen Modellorganismus

„Unser neuer Organismus namens Lokiarchaeum ossiferum hat großes Potenzial, weitere bahnbrechende Einblicke in die frühe Evolution von Eukaryoten zu liefern“, kommentiert Mikrobiologin Christa Schleper. „Es hat sechs lange Jahre gedauert, um eine stabile und hochgradig angereicherte Kultur zu erhalten, aber jetzt können wir diese Erfahrung nutzen, um viele biochemische Studien durchzuführen und auch andere Asgard-Archaeen zu kultivieren.“ Zudem können die Wissenschaftler nun mit den an der ETH entwickelten neuen bildgebenden Verfahren beispielsweise die engen Wechselwirkungen zwischen Asgard-Archaeen und ihren bakteriellen Partnern untersuchen. Auch grundlegende zellbiologische Prozesse wie die Zellteilung können zukünftig untersucht werden, um den evolutionären Ursprung dieser Mechanismen bei Eukaryoten aufzuklären.

Referenz: „Actin cytoskeleton and complex cell architecture in an Asgard archaeon“ von Thiago Rodrigues-Oliveira, Florian Wollweber, Rafael I. Ponce-Toledo, Jingwei Xu, Simon K.-MR Rittmann, Andreas Klingl, Martin Pilhofer und Christa Schleper, 21 Dezember 2022, Natur.
DOI: 10.1038 / s41586-022-05550-y


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